Gessnerallee
Zürich

Hier finden Sie Zusatzinformationen zur Tanzchoreografie «The Ghost of Montpellier Meets the Samurai» von Trajal Harrell, dass am 17. und 18. September an der Gessnerallee Zürich gastiert.

Biografien des Choreografen Trajal Harrel, zu seinen historischen Referenzen Tatsumi Hijikata und Dominique Bagouet sowie Video- und Interviewlinks.

Dominique Bagouet (1951-1992)
war einer der einflussreichsten Tänzer und Choreografen der nouvelle danse in Frankreich und Mitbegründer des renommierten Festivals Montpellier Danse (seit 1981). Dominique Bagouet war seit seiner Kindheit vom Tanz eingenommen und interessierte sich zuerst für Barockmusik und -tanz. Mit 17 Jahren veränderte sich seine Haltung und er distanzierte sich vom klassischen Ballett. Er reiste, studierte und arbeitete mit Tanzkompanien wie Felix Blaska in Paris, Maurice Bejart in Brüssel oder Carolyn Carlson in Paris. 1976 gewann er den Wettbewerb Concours de Bagnolet mit seinem ersten Erfolg Chanson de Nuit. Bagout entwickelte im Folgenden einen sehr raffinierten, komplexen, «barocken» Stil: «Es gibt Stücke wie Mes Amis, in denen es 10 Minuten dauert, bis der Schauspieler sich bewegt, oder F. et Stein, wo man zunächst fast gar nichts sieht, weil es sehr dunkel ist, und erst allmählich erkennt man eine verhüllte Gestalt, die ganz langsam mit ihren Stoffen umgeht und sie sich vom Leibe reisst. »
Als Choreograf gründete Bagouet 1980 das erste regionale Tanzzentrum, Centre Choregraphique Languedoc-Roussillon in Montpellier, wo er fortan sehr erfolgreich produzierte. Und er initiierte die Gründung des heute so renommierten Tanzfestival Montpellier Danse 1981 und verlieh der nouvelle danse in Frankreich von Montpellier aus Flügel (zur gleichen Zeit als Pina Bausch in Wuppertal das deutsche Tanztheater der Nachkriegszeit prägte). Stücke wie Strange Days to the song by the Doors (1990), Necesito (1991) oder So Schnell (1990/92) arbeiten und kombinieren immer wieder unterschiedliche Elemente, Barockmusik und -tanz, sportliche Bewegungen oder auch Musik einer Rockband. So Schnell, seine letzte Arbeit, wurde als erstes zeitgenössisches Tanzstück sogar in die Oper nach Paris eingeladen -allerdings ohne Bagouet. Viel zu früh starb er 41-jährig 1992 an Aids. Der frühe Tod des französischen Choreographen markiert bis heute ein Trauma der Tanzszene. Der Verein Les Carnets Bagouet hat sich zur Wahrung seines Angedenkens und zur Pflege seines choreographischen Erbes kurz nach Bagouets Tod gegründet.
«Die grösste Gefahr ist immer, den Tanz auf seine Form zu reduzieren, ihn der Virtuosität oder der Ästhetik zu überlassen – ihn nicht zu "bewohnen". Die Imitation muss zum Eigenen werden, um die Persönlichkeit des Tänzers, der eine Rolle übernommen hat, hervortreten zu lassen.» (Bagouet)

Dominique Bagouet: Chanson de Nuit (1976)

Dominique Bagouet: So Schnell (1992)


Tatsumi Hijikata (1929-1986)
war ein japanischer Choreographer, der als Vater des Butō bekannt wurde. Hijikata, aus ländlichen Verhältnissen stammend, suchte früh die Nähe zur Avantgarde-Kunstszene in Tokyo. Sein Interesse für Themen wie Tod, Düsternis und Unkonventionalität gipfelte in der Entwicklung einer choreographischen Sprache um 1959, die sich als Butō etablierte. Butō eigentlich Ankoku Butō (dt. Tanz der Finsternis), ist ein zeitgenössischer Ausdruckstanz ohne feste Form. “The dance of darkness seized death, and engulfed death within itself; although white was habitually the colour of death in Japan…Black was the colour of the abyss of the human body, which remained petrified and futile…”
Butō entstand als sprituell-künstlerische Antwort auf die Atomkatastrophen in Hiroshima und Nagasaki, auf den amerikanischen Kulturimperialismus und auf die Normativität der japanischen Gesellschaft. Butō rebellierte gegen den traditionellen (japanischen) Tanz und orientierte sich sowohl an japanischer Ästhetik als auch an modernem westlichem Tanz, wie dem Expressionismus einer Mary Wigman. „Butō schafft aus der Verbindung von NO, Kabuki und westlichem Tanztheater eine eigene, ketzerische Verarbeitung japanischer Traditionen.“
Der Butō-Tänzer versucht einen anderen Begriff, ein anderes, inneres Erleben zum Ausdruck zu bringen. Der fremde, verfremdete, entfremdete Körper im Butō ist weiß geschminkt, (fast) nackt und zeigt Verrenkungen und Bewegungen, die sich radikal des Absurden und der Groteske bedienen, was Erschrecken und Abwehr beim Publikum hervorrufen kann und soll. Butō ist zeitgenössisches Theater des Widerstandes gegen die moderne Gesellschaft der 1960er Jahre, gegen eine „… grauenerrengende artifizielle Harmlosigkeit und Biederkeit“. Bereits Hijikatas erste Butō-Aufführung Kinjiki 1959 in Tokyo wurde zum Eklat. Nicht nur das Thema (Homosexualität), sondern auch die radikale Ästhetik veranlassten einen Stop der Aufführungen durch das Publikum. Hijikatas Performances wurden sowohl in Japan als auch in den USA ausserhalb der gängigen Tanzaufführungen gezeigt. Hijikata selbst störte sich wenig an der Ablehnung der Gesellschaft - er pflegte seine Position als Unkonventioneller. In den 1970-er und 1980-er Jahren wurden die Essenzen des Butō-Tanzes von der europäischen Tanz-Theater Szene aufgenommen und sind als Element oder Stil in fast allen neueren europäischen Tanz- und Performancestilen wieder zu finden. Hijikata, der sich zeitlebens mit dem Tod beschäftigte, starb bereits 1986 57jährig an Krebs. (versch. Quellen)

Tatsumi Hijikata: Hokosan (1972)

Tatsumi Hijikata: Anna - The Masseurs (1963)


Trajal Harrell

                                                                                                  portrait Trajal Harrell 

Trajal Harrell (US)
Er ist am besten bekannt für seine Performance-Reihe in sieben Größen mit dem Titel „Twenty Looks or Paris is Burning at The Judson Church“, die sich mit dem Zusammentreffen von frühem postmodernen Tanz und der Voguing Tradition befasst. Alle sieben Arbeiten der Serie sind nach wie vor international auf Tournée. „Antigone Sr.“, die größte Performance der Serie, gewann 2012 den Bessie Award für die beste Produktion. Vor kurzem begann er eine neue Recherche und erforscht nun Butoh aus der Perspektive der theoretischen Praxis von Voguing. Diese neueste Werkserie umfasst: „Used, Abused, and Hung Out to Dry“, was im Rahmen einer zweijährigen Residency am Museum der modernen Kunst-MoMA in New York uraufgeführt wurde, und „The Ghost of Montpellier Meets The Samurai", was 2015 beim Montpellier Danse Festival Premiere feiert.
Trajal Harrells Arbeiten wurden in New York und in den USA an vielen Veranstaltungsorten wie The Kitchen, New York Live Arts, TBA Festival, Walker Arts Center, American Realness Festival, ICA Boston, Danspace Project, Crossing the Line Festival, DTW, P.S. 122, Cornell University, Colorado College, Philadelphia Fringe Festival und Los Angeles’ RedCat Theater gezeigt. Seine Arbeiten wurden bei internationalen Festivals wie ImPulsTanz (Wien), Festival d'Automne (Paris), Rencontres Chorégraphiques (Paris), Holland Festival (Amsterdam), Festival d'Avignon, Tanz im August (Berlin), Panorama-Festival (Rio de Janeiro) präsentiert. Er zeigte seine Performancearbeiten im Kontext von bildender Kunst: im MoMA, Perfoma Biennale, Fondation Cartier (Paris), The New Museum (NYC), The Margulies Arts Warehouse (Miami), Stedelijk Museum (Amsterdam), Serralves Museum (Porto), Centre Pompidou-Metz, Centre Pompidou-Paris, ICA Boston und Art Basel-Miami Beach.

Trajal Harrel in der Gessnerallee

Antigone Sr./ Twenty Looks or Paris is Burning at The Judson Church (L)
Festival Keine Disziplin 2015


http://tanzforumberlin.de/trailer688.php


(M)IMOSA / Twenty Looks or Paris is Burning at The Judson Church (M) 2012

Interview with Trajal Harell

Interview in french&english