Gessnerallee
Zürich

Mehr Informationen zu «These Are My Principles...» von und mit Phil Hayes

©AdrianElsener (Nada Gambier und Phil Hayes in These Are My Principles...)

Im Gespräch mit Phil Hayes zu „These Are My Principles …“
(in Deutsch und English, mixed)

Anke Hoffmann: Phil, machen wir das Gespräch auf Englisch oder auf Deutsch? Oder sollen wir es mixed machen?

Phil Hayes: Ja, mir ist es egal. Wir reden zuhaus auch Englisch, Französisch, Deutsch.

What is your piece „These Are My Principles…“ about?

Phil Hayes: Well…I know what I am interested in. I am interested in the idea of principles and if they still exist. How important they are. How we make choices. And if we avoid having to make choices. And if we get angry or disappointed when choices get made. I had the feeling … I am 50 now … that in the 1980ies everything was black and white. So if you like this music, you can’t like that music. If you’re friends with this person you can’t be friends with that person. And I think, things have been quite mixed up since then. You can vote FDP, you are working in a bank and still watch Sonic Youth at Rote Fabrik. It doesn’t mean anything anymore... to some people.
But occasionally we get reminded of these ... I was working at l’Usine in Geneva, comparable to Rote Fabrik, but a bit more squatty, and then after the performance I’ve said to them: oh what’s that bar there like on the corner? And they didn’t say: that’s shit, they said: we don’t go there. It was a clear line. And sometimes I have to remind myself, what are my clear lines. I know if there is strike, I don’t cross the picket line. Something I grew up with and sth. I inherited and this is a clear principle. And I know, if I can afford it, I don’t do things just for the money. And I try not to tolerate bullshit and some other basic things. But of course, it can become very moralistic to have these kind of principles and you can have a rather superior feeling. You can become very smug. And then I think of the people, whose opinions and actions are the opposite of mine, let’s take Roger Köppl e.g., is he for me just an opportunist, who has no principles or is he somebody who has very clear principles, they’re just not mine?

… will this be a question in the piece?

Phil Hayes: Not in that sense. The process is becoming more about differences between principles in thought and in action and about making choices. For example I remember somebody I used to live with, always knew incredibly how you should do things and what was the wrong thing to do and what was the right thing to do. But he never actually did anything. We just realized we were doing all the work and he was just the principled-one, the one who knew better. It’s good if you have principles but if you don’t take any action … It’s very easy, you know, it’s like the discussion we had about Trump: You look on Facebook and everybody knows better, dumping some article they read. It helps us to digest it and we know, we think we are on the right side. I don’t know, if you work for company that, you know, does terrible things if you don’t have a problem with that than it’s quite easy to work there. Or maybe you are slightly troubled by what that company does and it gives you some inner conflict or you think, that’s just a question of ego and what is actually important is providing for my family and to better my circumstances for my children and the future. I know old friends from the Left who used to work in big banks and said, well, the whole system s fucked …

... so „what can I do!?“ …

Phil Hayes: Yeah, „what can I do!?“ and it doesn’t make any difference if I work there or in a coffee shop: It is still capitalism. Or, I know people who voted for Thatcher cause they thought it brings revolution faster. I have friends at home in the UK they voted for Brexit, cause they can’t vote for the EU, cause they can’t vote for something they find fundamentally principly... find terrible. But on the other hand, it’s very easy to get principled if you don’t get your hands dirty. When you start to make choices than you start making your hands dirty or it becomes completely academic. You can write a book or a paper on it. But this is what I am curious about.

Du hast angefangen Beispiele für Prinzipien zu nennen, ging mir durch den Kopf, dass wir alle einerseits durch unsere Herkunft, unsere Familie geprägt werden und im nächsten Schritt suchen wir uns Gleichgesinnte, Communities und dann geht es um Zugehörigkeit und Abgrenzung und …

Phil Hayes: ... Identität, ja. Wir haben uns im Team eine sehr naive Theorie ausgedacht. Da gibt es einerseits, wir nennen es, externe Prinzipien, da heisst, das was man erbt, durch die Gesellschaft, früher durch die Kirche, aber eben auch durch die Familie. Und auf der anderen Seite gibt es private, persönliche Prinzipien, die du gebildet hast aus Erfahrungen oder Verhaltensweisen und dann setzt du dich mit ihnen in Konflikt. ... So that means, your internal principles can result in personal conflict if your situation means you have to try to ignore them. But ultimately your ability to make choices or act on your principles depends greatly on your level of privilege.

Du erzählst als Impuls von den 1980ern, von der Einfachheit Positionen zuzuordnen und vergleichend dazu, von den heutigen Bedingungen, die Ausgang sind für deine Arbeit. Du zitierst auch populistische Entscheidungen, auch von Freunden von dir, Entscheidungen, die man erst einmal verstehen muss, weil man dachte, man kennt sie, seine Freunde. Es gibt heute diese Bandbreite von Geschmäckern und Lebensmodellen, eine Ausdifferenzierung und Vermischung von sehr unterschiedlichen Typen und Stilen, die sich einer vormals eingeübten Einordnung verschliessen…

Phil Hayes: Ja … Und wir leben auch mit so einer Nabelschau. Ich war vor drei Wochen mit einem Gastspiel in China und ich war zum ersten Mal in Shanghai, eine Stadt mit 25 Millionen Menschen. Und es gibt extremen Reichtum und extreme Armut direkt nebeneinander. Und New York fühlt sich dagegen wie ein Dorf an.

25 Millionen… Das sind wieviel mal mehr als Menschen in der Schweiz leben?

Phil Hayes: Dreimal mehr. ... Und dann denkst du, meine Entscheidung, ob ich zuhaus Bio kaufe oder nicht, ist politisch-ökonomisch völlig egal. Können wir überhaupt mithalten mit der Entwicklung dort? Das ist der Kulturschock im ersten Moment. Aber du siehst deine eigenen Möglichkeiten gegenüber dieser riesigen Maschine, dieser Energie und diesem kapitalistischen Markt … Natürlich wissen wir, dass es sich auch auch anders entwickeln kann, aber das Gefühl war schon eines der Ohnmacht.

Das trifft vielleicht auch das, was wir vorhin mit so einer Abgehobenheit, mit einer elitären Blase, in der man sich selbst befindet, besprochen haben, das diese Blase auch vor allem global existiert.

Phil Hayes: Ja, vor allem als Europäer ist man ja erprobt darin, zu denken, man wäre kultivierter oder klüger. Und wir haben im Produktionsprozess über Internationales gesprochen. Ich vergesse zum Beispiel immer das es solche Orte wie Tschad, Jemen oder Oman gibt. Wie ist das Leben dort? Und wir wissen, dass es in den Regionen, in denen es aktuell sehr schwierig ist zu leben, auch Bäcker und Postler und Kindergärten gibt. Und Leute haben dort auch normale Tagesabläufe, die sind nicht nur in einer sehr schwierigen politischen Situation. Und in Europa denken wir oft, wir sind das Zentrum von allem … Das Stück ist nun eben sehr universal geworden und wir sind noch daran, wie man das verdauen kann.

Ist die Performance-Arbeit in Deutsch oder Englisch?

Phil Hayes: In sehr einfachem Englisch.

Ist es dein Projekt oder ein Zusammenspiel?

Phil Hayes: Es ist diesmal eigentlich mein Projekt. Jedesmal wenn ich ein Projekt mache... es hat sich so ergeben, dass ich jedes Mal neue kollaborative Partner gewinne. Deshalb ist meine Arbeit sehr davon geprägt, mit wem ich zusammen arbeite. Ich arbeite nicht so gern alleine, bin kein Fan von der Idee eines Regisseurs, dem Genie. Ich arbeite einfach zusammen mit anderen Künstler_innen. Und das ist meist ein sehr offener Prozess. Dieses Mal arbeite ich zusammen mit Christoph Jaquet und Nada Gambier, aber auch der Bühne stehen nur Nada und ich, aber es sind noch weit mehr Leute involviert.

Aber die Autorschaft für das Stück hast du oder?

Phil Hayes: Also es ist unterschiedlich, die beiden letzten Stücke hatte ich jeweils mit anderen Künstlerinnen konzipiert und das auch so mit mehreren Namen benannt oder unterschrieben. Diesmal kommt das Konzept von mir und daher ist es mein Projekt. Aber das Recht das Stück aufzuführen haben wir zu dritt gemeinsam. Also es kommt immer darauf an, wie die Konstellation gerade ist. ... So the starting point for the project, the subject matter, the way to look at it and the tasks we set ourselves in rehearsals (the process) came from me. The process is then a collaborative process where Nada Gambier, Christophe Jaquet, Julia Hintermüller and I tried things, suggested things, watched videos of ourselves. What actually happens and what we actually say come from us collectively but shaped by me and starting from my impulse. Nada, Christophe and myself discussed halfway through the process how we would sign the work as we saw how it was progressing.

Deine Arbeitsweise basiert eben auf einer kollaborativen Erarbeitung, statt auf einem Skript, einem Text?

Phil Hayes: Ja, ich bin auch kein Autor, der ein Stück schreibt. Sondern es ist ein langer Prozess des Ausprobierens, Diskutierens, Streitens und manchmal weiss ich erst gegen Ende des Prozesses, was wir gemacht haben. Es ist für mich auch manchmal einfacher über meine Arbeit zu sagen, was es ist, statt worum es geht. Aber ich weiss, was meine Neugierde ist und ich stelle mir Fragen, und die versuche ich irgendwie zu beantworten.

©AdrianElsener (Phil Hayes)

Phil Hayes
ist ein Schweizer/Britischer Performance-Künstler, Performer, Schauspieler, Theaterregisseur und Musiker. Geboren 1966 an Englands Südküste, lebte er von 1985 bis 1995 in Newcastle upon Tyne, wo er Creative Arts studierte. Seit 1998 lebt und arbeitet Phil Hayes in Zürich und produziert Performance-Kunst unter dem Namen First Cut Productions. Die bisher entstandenen Werke sind Waiting For Rod (2005), The First Cut (2007), Where Were We (2008), Awkward Human (2011) , Legends & Rumours (2013) und Love & Happiness (2014). Phil Hayes arbeitet als freier Kunstschaffender in den Bereichen Performance, Theater und Musik und hat in verschiedenen Kollaborationen mit anderen Künstlern und Gruppen zusammengearbeitet. Er arbeitet regelmässig mit der britischen Performance-Gruppe Forced Entertainment und der neuseeländisch-schweizerischen Choreografin Simone Aughterlony zusammen. Des weiteren hat er mit folgenden Künstlern gearbeitet: CAMPO, Maria Jerez, Thomas Kasebacher, Chris Kondek & Christiane Kuehl, watzdameyer, Sachs & Suhner, Salome Schneebeli, Stadttheater Bern, Regina Wenig, Cocoloco Performance, Urbanauts, Mass & Fieber, Natural Theatre Company, Bruvvers, Thom Luz, Knarf Rellöm, Low Flying Theatre, Guz, Live Theatre Company, Jerry J. Nixon, Phil Hayes & the Trees und Voodoo Rhythm Records. Im Jahr 2014 erhielt er ein Werkstipendium der Stadt Zürich für sein bisheriges Schaffen.
Phil Hayes ist momentan mit folgenden Produktionen auf Tournee: Love & Happiness – eine Zusammenarbeit mit Christophe Jaquet von der Gruppe Velma; Legends & Rumours mit Maria Jerez und Thomas Kasebacher; mit Forced Entertainments The Coming Storm und The Last Adventures, und schliesslich mit Show & Tell – eine Zusammenarbeit mit Simone Aughterlony. www.philhayes.ch

Nada Gambier
kam 1980 in Finnland auf die Welt. Dort studierte sie von 2000 – 2002 Tanz an der Schule The Place in London, bevor sie für die zweite Ausbildungszeit der Schule P.A.R.T.S. in Brüssel beitrat. Im Jahr 2003 begann Nada mit der Kreation ihrer eigenen Arbeit und wurde Artist in Residence im Wp Zimmer in Antwerpen, wo sie bis 2008 blieb. Darauf gründete sie zusammen mit ihren Kollegen Claire Croizé und Etienne Guilloteau die Gruppe Aktion Scénique. Nada arbeitet im Bereich Performance, Theater, Tanz und Video.
Als Künstlerin ist Nada ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zu verwischen und durch Performativität und Spontaneität die Absurditäten des Alltag hervorzuheben. Vor kurzem verspürt sie ein wachsendes Interesse daran an Strategien zu arbeiten, welche die Trennung zwischen dem Forschungs- und Erstellungsprozess und der Präsentation der fertigen Arbeit öffnen. Nada’s Interessen erstrecken sich von Theatralik bis zu Körperlichkeit und sie erfindet diese Begriffe für sich regelmäßig wieder neu und erweitert die Parameter innerhalb derer sie funktionieren.
Nada Gambier hat schon an der Ruhrtriennale mit mit Phil Hayes für Forced Entertainment zusammen gearbeitet und ist momentan mit Simone Aughterlony's Uniform auf Tour. http://www.actionscenique.be/about/nadagambier/

Christophe Jaquet
hat für zahlreiche Stücke und Performances Regie geführt, die im Arsenic in Lausanne, am CCS in Paris, am farFestival in Nyon und am Belluard Festival in Fribourg aufgeführt wurden. Er ist Gründungsmitglied von Velma, der Musik- und Performancegruppe aus Lausanne, deren Shows – einschliesslich Rondo (2002), Velma Superstar (2004) und Requiem (2007) – an vielen Orten in der Schweiz und im Ausland zu sehen waren. Als Sänger der Gruppe mit demselben Namen hat er etliche CDs aufgenommen und war in den USA und in Europa auf Tournee.
Er hat als Dramaturg gearbeitet und für viele Performanceprojekte auch die Musik geschrieben. Als Performer hat er u.a. mit Nicole Seiler, Gary Stevens, Elodie Pong und Philippe Wicht und schon mehrmals mit Phil Hayes zusammen gearbeitet. Zur Zeit ist er mit einem neuen eigenen Projekt Transmission unterwegs; ein Koproduktion mit Arsenic, Lausanne und Théâtre de l‘Usine, Genf.

Phil Hayes & Co an der Gessnerallee (Videotrailer):
Show and Tell - Aughterlony & Hayes



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