Gessnerallee
Zürich

E-Mail-Austausch zwischen Jörg Scheller und Christopher Kriese über den Wahlsieg Donald Trumps im Vorfeld der Veranstaltung «Die neue Avantgarde»

Veröffentlicht am 02.02.2017 auf Jörg Scheller's BLOG (LINK)

Im November letzten Jahres bloggte mein Kollege Christopher Kriese vom Zürcher Theater- und Aktivisten-Kollektiv «Neue Dringlichkeit» einige sehr persönliche wie auch medientheoretische «Gedanken zum Wahlsieg Donald Trumps» (LINK). Im selben Zuge forderte er seine Leserinnen und Leser auf, ihm Kommentare zu schicken. Aus unserem darauffolgenden E-Mail-Austausch entwickelte sich ein monatelanger, intensiver Dialog über, unter anderem, Trump, Filterblasen, Populismus, Linksprogressivismus und Rechtskonservatismus, die Selbstgerechtigkeit des Kunstbetriebs und das Verführerische des Reaktionären... Wir veröffentlichen den Dialog hier in voller Länge.

Jörg Scheller: Deine Ausführungen zu medientheoretischen Aspekten der US-Präsidentschaftswahl habe ich mit grossem Interesse gelesen. Aus meiner Sicht tragen – mindestens – zwei weitere Faktoren zum Trump-Triumph bei: Die Wähler sind es zum einen gewohnt, dass Politiker lügen und Wahlversprechen brechen. Warum also nicht einen Politiker wählen, der wenigstens offensichtlich lügt und dessen Pläne – z.B. alle Muslime ausweisen – offensichtlich unhaltbar sind? Überdies liefert Trump das bessere Entertainment zur Lüge und ist für ein offenbar apokalyptisch gestimmtes Publikum – möge uns der marode Laden doch endlich um die Ohren fliegen! – schlicht der erquicklichere Soundtrack zum Untergang.

Zum anderen ist Trump ein typisches Beispiel für jene verführerische Pippi-Langstrumpf-Mentalität, welche Eric Voegelin zufolge ein zentrales Problem der westlichen Moderne darstellt: Ich mache mir die Welt, widde-widde-wie-sie-mir-gefällt. Die Wirklichkeit passt mir nicht? Nun, dann schaffe ich mir eben eine zweite und baue darauf, dass sich die erste früher oder später an sie anpasst. Das müsste allen sozialkonstruktivistisch oder postessentialistisch argumentierenden Progressivisten doch runtergehen wie Honig! Postfaktizität haben nicht Trump, die AfD & Co. für sich gepachtet. So argumentiert etwa Bruno Latour, Objekte seien immer schon Projekte gewesen; Tatsachen immer schon uns angehende Sachen. Und wenn Gender ein soziales Konstrukt ist, warum dann nicht auch Politik?

Ich polemisiere natürlich, aber in gewisser Hinsicht ist Trump tatsächlich die zynische Erfüllung von postmodernen Theoremen, die einst progressiv-emanzipatorisch gedacht waren; er ist die in basale Machtpolitik gewendete Verkörperung der unendlichen Semiose, des verlorenen Urtexts. Dahingehend schätze ich es, dass Dein Text letztlich einen Aufruf zur Selbstkritik der vermeintlich oder tatsächlich «Progressiven» beinhaltet. Die einsetzende Folklorisierung, also Normalisierung, Institutionalisierung und Trivialisierung linksprogressiven Gedankenguts macht es angreifbar und verwundbar – ganz zu schweigen davon, dass Reaktionäre und Identitäre heute die Strategien der 68er kapern und ihre Ziele mit Sit-ins, zivilem Ungehorsam und romantischer Renegatenrhetorik – wir sind die eigentlich Unterdrückten und Marginalisierten! – verfolgen. Wie müssten progressive Kräfte aus Deiner Sicht auf dieses Dilemma reagieren?


Christopher Kriese:
Vielen Dank für deine Antwort. Ich beobachte bezüglich der Lügen noch eine weitere Dynamik. Während der «digitale»[1] Inhalt von Trumps Sprache oftmals schwachsinnig daherkommt, wirkt der «analoge» Ton, in dem er seine Argumente vorträgt, oft sehr authentisch und glaubwürdig. Es stellt sich, durch die Art, wie er spricht, beim Zuhören das Gefühl ein, dass er das, was er sagt, wirklich meint. Auch wenn er oftmals wie ein unangenehmer Charakter wirkt, scheint es oftmals so, dass er sich selbst authentisch performt. Im Gegensatz dazu sind die Argumente seiner Gegnerin deutlich fundierter, aber ihre nonverbale Kommunikation wirkt weniger glaubhaft. Ihre Vortragsweise kann tatsächlich als «crooked» («unehrlich») gelesen werden. Für eine erfolgreiche Selbstvermarktung innerhalb der sozialen Netzwerke ist genau dieser «analoge» Aspekt der Kommunikation entscheidend, weil es – so scheint es zumindest – um zwischenmenschliche Beziehungen geht und nicht um faktische Inhalte. Nachdem ich mich damit beschäftigt habe, wie «YouTube Nutzer» zu «YouTube Gurus» werden, glaube ich, dass ein entscheidender Faktor für den (quantitativen) Erfolg der Kommunikation darin besteht, dass der*die Sprecher*in mit einem hohen Mass an Authentizität sich selbst performt. Authentizität mag dabei bloss ein Inszenierungs-Effekt sein, aber ich beobachte, dass diejenigen, die diesen Effekt gekonnt bespielen mit Aufmerksamkeit belohnt werden.

... Ja, das stimmt. Man könnte die Art, wie Trump sich selbst und seine Marken aufgebaut hat, selbst als einen postmodernen Witz verstehen. Der inzwischen aber nicht mehr lustig ist. Ich weiss nicht, wie bewusst er sich postmodernen Theoremen entsprechend verhält und ob er sich darüber im Klaren ist, dass er linke Rhetorik nach rechts dreht. Die Tendenz, dass linke Strategien mithilfe kleiner Anpassungen zweckentfremdet werden können, ist ja nicht neu. Ich sehe jedoch Seitens der progressiven Kräfte einerseits wenige wirksame Antworten auf diese Zweckentfremdung, andererseits sehe ich auch selten, dass Linke die Strategien der Rechten für ihre Zwecke missbrauchen. Wie dreht man beispielsweise die vereinfachende fremdenfeindliche Rhetorik der Populisten nach links ohne sich zu verraten?

Zu deiner Frage: Ich habe selbst noch keine klare Antwort. Ich habe diesen Text geschrieben, um zu beginnen gemeinsam mit anderen nach Antworten zu suchen. Demnächst wird ein erstes Treffen stattfinden und es sind inzwischen viele Reaktionen zurückgekommen. Ich merke, dass ich mich davor drücke, dir zu antworten. Ich überwinde mich nun also und schreibe ein paar Stichworte, die meinen momentanen Stand und teilweise die bisherigen Antworten widerspiegeln:

- Ich beobachte innerhalb meiner «Filter-Bubble», dass linkes Denken, Sprechen und Schreiben zu einem Elitenprojekt geworden ist. Es ist dringend nötig, aktiv den Dialog mit Menschen zu suchen, die keinen Zugang zu den Elfenbein-Türmen des postmodernen Diskurses haben.

- Dazu ist es nicht nur nötig, die eigenen «Filter-Bubbles» sowohl im «Cyberspace» als auch im «Meatspace» zu verlassen, sondern auch zu lernen, die eigenen Positionen in einer Sprache zu formulieren, die die anderen verstehen und zu der sie Zugang haben. Dies wird ein langwieriger Prozess sein, der Begegnung und aufmerksames Zuhören erfordert.

- Anstatt darüber in «Cry Ins» zu weinen, dass die Populisten erfolgreich sind, sollten wir lernen, wie sie erfolgreich sind und auf eine Weise, die wir mit unserem Gewissen vereinbaren können, ihre Strategien entwenden, so wie sie unsere entwenden. Und unser Gewissen kann hier vielleicht ein paar Dehnungsübungen gebrauchen. Um es mit einem – durchaus belasteten – Zitat aus Brechts «Massnahme» zu sagen: «Könntest du die Welt, endlich verändern, wozu wärst du dir zu gut?»

- Ich beobachte zudem, dass sich fast meine gesamte «Filter-Bubble» aus der Realpolitik zurückgezogen hat und beispielsweise lieber spitzfindige postdramatische Performances macht, als sich konkret für eine politische Initiative zu engagieren oder wählen zu gehen, weil das langweiliger ist. Es ist gut möglich, dass diese Arroganz der linken Elite gegenüber dem politischen System die gesamtgesellschaftliche Stimmung nach rechts kippen lässt. Diese Arroganz gilt es, durch langsame Gewöhnung an die Langeweile der Realpolitik, zu überwinden.

- Ausserdem – und ich fürchte mich ein wenig, das zu schreiben – beobachte ich eine Arroganz gegenüber den Ängsten der «einfachen» Bevölkerung. Es ist statistisch belegbar, dass beachtliche Teile der Bevölkerung den Wandel, der durch die Globalisierung und durch grosse Migrations-Ströme verursacht wird, als beängstigend empfinden und dass der islamistische Terrorismus, besonders in seiner neuen als unberechenbar inszenierten Form die Menschen tief verunsichert. Die linke Antwort darauf, scheint mir zu sein, dass es falsch, fremdenfeindlich, rassistisch und unmoralisch ist, solche Bedenken, Ängste und Verunsicherungen überhaupt in sich zu tragen. Wenn jemand also Angst verspürt, wird er sich eher zu jemandem hingezogen fühlen, der seine Ängste in Worte bringt und sie ernst nimmt, als zu jemandem, der sie ihm verbieten will. Ich vermute, dass die progressiven Kräfte ihr Verhältnis zu diesen Ängsten ändern müssen. Sie sollten sie ernst nehmen und eigene Antworten entwickeln, die weniger plump sind, die aber dennoch das Potential haben, die Menschen zu beruhigen.

Was meinst du dazu? Was sind deine Vorschläge?


Jörg Scheller:
Besten Dank für diese angenehm untwitterbaren Gedanken, die so gar nicht zum Mobsprech der Blogosphäre passen wollen und die genau deshalb in die Blogosphäre eingespeist gehören!

Zu Deinen Punkten: Zum einen würde ich davon absehen, sich in einer Mimikry der Populisten zu üben und ihre Strategien zu imitieren. Konterpopulismus ist zumindest mittel- und langfristig keine Lösung – Brecht hin oder her. Es ist ja nachgerade possierlich, dass beispielsweise die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kürzlich feststellte, Politiker müssten sich nun verständlich erklären, um nicht gegen Trump ins Hintertreffen zu geraten. Paternalistischer und gouvernantenhafter kann man kaum argumentieren: Wir hatten eigentlich immer Recht, aber die Leute waren zu blöd, um es zu verstehen. Also, alles schön auf Drei-Wort-Sätze runterbrechen und der Laden läuft! Durch diese müde Form-Inhalt-Differenz entzieht man sich jeglicher inhaltlicher Kritik.

Die Zuspitzungen von Populisten verführen dazu, ja fordern dazu auf, mit Zuspitzungen auf sie zu reagieren und damit eine Kettenreaktion in Gang zu setzen. Am Ende bekämpft man Idiotien mit Idiotien – das Ergebnis wird aller Voraussicht nach idiotisch bzw. eben doppelt idiotisch sein. Die Herausforderung besteht aus meiner Sicht darin, die Kritik populär machen, was gerade nicht populistisch meint. Schon Diderot schrieb: «Hâtons-nous de rendre la philosophie populaire!» Also, weg mit dem Ismus, denn der impliziert Scheuklappendenken, Ideologie, Ignoranz, Klientelismus, Dünkel... Am besten bohrt man dicke Bretter, bildet unideologische zivilgesellschaftliche Netzwerke (wie die schweizer Operation Libero) und leistet aktivistische Graswurzelarbeit, kurz: es gilt, Oppositionsbildung zu betreiben im Sinne Immanuel Kants, der die langsame, mühevolle, aber nachhaltige Begriffsarbeit gegen die spontanen und anschaulichen Eingebungen der «Mystagogen» und «Schwärmer» in Stellung brachte. Das ist natürlich weitaus weniger testosteron- und adrenalinlastig – oder, im aktuellen Verbrämungsjargon: weitaus weniger thymoslastig – als Populismpolterei, die letztlich ein politisches River Rafting verspricht: Es wird laut, nass, lustig! Aber gerade deshalb ist es – wie gesagt mittel- und langfristig – die bessere Alternative.

Zum anderen würde ich dafür plädieren, von der Lokalpolitik zu lernen – da treffen sich unsere Gedanken. Man muss unterwegs sein, sich in unterschiedlichen Milieus bewegen, diese Milieus grundsätzlich erst einmal ernst nehmen – die Metzgerin wie den Pfarrer, den Banker wie die Gärtnerin, die Professorin wie den Wachmann – und die Erfahrungen in eine kritische Spannung zu den eigenen Zielen, Vorstellungen, Erwartungen, Hoffnungen, Idealen bringen. Ohne in Defätismus abzugleiten, muss man sich von der Illusion lösen, die eigene vermeintlich so pankritische, panprogressive, panemanzipatorische Haltung «umsetzen» oder «verwirklichen» zu können; man darf nicht darüber irritiert sein, dass die Welt da draußen längst nicht so «progressiv» ist wie man selbst zu sein glaubt. Dieser Wunsch, von der Theorie zur Praxis überzugehen, den natürlich jede(r) hegt, präludiert das, was Czesław Miłosz «the captive mind» nannte, also die Empfänglichkeit für Ideologien seitens jener Intellektuellen-Slash-Künstler, die beständig mit ihrer Machtlosigkeit hadern. Das unvermeidliche Auseinanderklaffen von Ideal und Realität, von Möglichkeit und Faktizität verleitet zu Frustration, die wiederum zur Hyperkompensation verleitet. Intellektuelle sollen nicht nach Macht streben, sie sollen die Macht begleiten – exemplarisch angelegt war das in der polnischen Solidarność-Bewegung der 1980er Jahre, wo Intellektuelle wie Adam Michnik im Hintergrund wirkten und der hemdsärmelige Lech Wałesa im Vordergrund agitierte. Ein famoses Zusammenspiel und bis heute eine der wirkmächtigsten, auch in praktischer Hinsicht erfolgreichsten zivilen Bewegungen in Europa.

Was nun unsere eigenen «filter bubbles» betrifft, so stimme ich Dir zu. Wie oft begegnet man Menschen, die fast ihr gesamtes Leben an Schulen, Hochschulen, Kunst-Institutionen verbracht haben – und die sich arbeitslos melden, wenn sie keinen Job als Avantgarde-Angestellte im Kunstmilieu finden, müssten sie sich doch sonst auf jenem Markt behaupten, welcher die für ihre Kunstmilieuexistenz nötigen Steuergelder generiert und vor welchem man aus naheliegenden Gründen Scham empfindet, die sich mitunter als Kapitalismuskritik tarnt. Wenn diese Pauschalkünstler in Kontakt mit anderen Milieus treten, dann stets im Rahmen von Projekten, sprich, im Kontext von artistic research, artivism, relational aesthetics, community building, socially engaged art, usw. Die Manifesta 2016 in Zürich war ein Paradebeispiel dafür: Man macht ein Projekt mit einem Uhrengeschäft, man macht ein Projekt mit einer Security-Firma, man macht ein Projekt mit einer Kläranlage, etc. Oder denken wir an poststrukturalistische Theoreme, die mittlerweile verinnerlicht werden, wie man früher Schiller-Gedichte auswendig lernte. Der Einsatz im Diskurs erfolgt allzu oft auf irritierend positivistische, objektivierte Weise: «Wie Foucault schreibt, ist...» «Wie Derrida sagt, ist...» «Wie Deleuze meint, ist...» Keine weiteren Fragen. Hier zeigt sich, dass «Theorie» für viele eben doch «Theologie» ist. Diese Menschen mussten nicht auf die filter bubbles der Sozialen Netzwerke warten – sie lebten bereits zuvor in einer Blase, die zwar intern hochkomplex ist, aber eben nur intern. Dass sich dagegen früher oder später Widerstand regen würde, war klar. So viele Steilvorlagen, so viel Jargon! Oder verfalle ich da in intellektuelle Selbstgeißelungswut?


Christopher Kriese:
Vielen Dank für deine Antwort! Ich glaube wir beide geisseln uns hier selbst ein wenig. Da wir aber gleichzeitig über dieses Phänomen reflektieren, könnte man es auch Meta-Selbstgeisselung nennen. Das mache ich nicht nur auf politscher, sondern auch auf persönlicher Ebene: Ich neige dazu, überaus kritisch mit mir selbst zu sein, selbst in Bezug auf Kleinigkeiten meiner Alltagsgestaltung. Wenn mir auffällt, dass ich zu kritisch gegenüber mir selbst bin, kritisiere ich mich in Gedanken dafür, dass ich zu selbstkritisch bin und kritisiere mich auch dafür, dass ich mich dafür kritisiere, dass ich zu selbstkritisch bin. Es entsteht so eine Art selbstkritische Feedback-Schleife, die mein Denken ins Wackeln bringt und mich lähmt.

Ich bin vor einiger Zeit auf die TV-Serie «Eastern Wisdom and Modern Life» aus dem Jahr 1960 gestossen, in der Alan Watts seinem Publikum Konzepte aus Zen, Taoismus und Hinduismus nahebringt. Die leicht manische Art, wie er mit Kaligraphie-Pinseln, alten Bildern und strenger Rhetorik versucht, die damals noch eher unbekannten Konzepte einer breiteren Masse zugänglich zu machen, könnten vielleicht ein Beispiel dafür sein, was du mit «populär machen» meinst. Zum Teil benutzt er sogar die Videotechnik selbst, um einen Gedanken zu verdeutlichen. In einer der Folgen zeigt er den Effekt, der entsteht, wenn man eine Videokamera in einem geschlossenen Kreislauf auf den Bildschirm richtet, der ihre Bilder überträgt. Es entsteht eine Rückkopplung und ein Zittern im Bild, das bei bestimmten optischen Einstellungen nichts mehr beinhaltet, als eine Reihe von ineinander verschachtelten Rahmen. Aus der Perspektive der «östlichen Weisheit», die in dieser (sehr westlichen) Sendung auf verschiedene Weise erläutert wird, ist diese Rückkopplung im Denken eine Form des Wahnsinns, dessen Überwindung eine Voraussetzung dafür ist, die Welt klarer zu sehen und in ihr handlungsfähig zu sein. Einen Ausweg aus dieser Schleife eröffnen verschiedene Formen der Meditation. Auch wenn sie sich in technischen Einzelheiten zum Teil stark unterschieden, ist die grundlegende Bewegung der Übungen, dass die Aufmerksamkeit weg von Gedanken, Ideen, Worten und Konzepten und hin zu konkret im Moment Wahrnehmbarem (beispielsweise der Atmung) gelenkt wird. Dabei ist der Zustand der völligen Abwesenheit von diskursiven Gedanken kaum erreichbar, jedoch kann die Fähigkeit deutlich verstärkt werden, Gedankenspiralen willentlich zu unterbrechen. Dieses Verfahren könnte auch auf kollektiver und politischer Ebene gewinnbringend sein. Denn der Wahnsinn, das «mentale Wackeln» und die Paralyse, die durch ein nur um sich selbst kreisendes politisches Denken entsteht, habe ich im Laufe meines Lebens schon in unzähligen Diskussionsrunden erlebt, die energisch daran gescheitert sind, sich über sich selbst hinaus zu bewegen.

Ich frage mich, ehrlich gesagt, was der Wachmann und der Gärtner und die Metzgerin wohl denken würden, wenn sie diesen Text hier lesen. Was würden sie zum Beispiel zu den beiden Absätzen hier oben sagen, die die Meta-Selbstkritik kritisieren. Ich weiss es nicht. Ich vermute mal, dieser Text wäre für sie weder zugänglich noch relevant. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihn jemand, der sich nicht an einer Hochschule befindet oder befunden hat, je lesen wird, ist verschwindend gering, sofern wir nicht entschieden darauf hinwirken. (Wir könnten ihn vielleicht demnächst in einer Strassenbahn schreien.)

Und das ist ein Problem, das ich in Bezug auf die Argumentation sehe, dass es (auch jetzt noch) vor allem an der Zeit ist, sich vertieft und lange mit schwierigen Texten zu befassen und sich über Begriffe und Prinzipien zu verständigen, die einen anderen Blick auf die Welt ermöglichen. Denn selbst wenn im Zusammenhang mit dieser Diskussion immer wieder betont wird, wie wichtig es sei, auch Menschen ausserhalb der Echokammern des hochstehenden Diskurses zu erreichen, sehe ich sie NIE in den Theatersälen und Seminarräumen und Off-Spaces, in denen ihre Anwesenheit so ausdrücklich gewünscht ist – es sei denn um diese Räume zu putzen oder zu bewachen.

Insofern sind meiner Ansicht nach folgende Bewegungen nötig: Die Bewegung heraus aus der Selbstreferenz und Selbstkritik (es wird immer noch genug davon geben), die Bewegung hinein in Räume, in denen sich (zumindest auch) Menschen aufhalten, die keine Suhrkamp Wissenschaft Taschenbücher in ihren Regalen stehen haben und die Bewegung hinein in ein Sprechen und Denken, dass die Welt ausserhalb der elitären Inseln wahrnimmt und ernstnimmt. Das wird mit einem Lernen verbunden sein, das psychologisch aufwändig und aufwühlend ist, weil es unsere Selbstidentifikation als diejenigen, die wissen wie es läuft und die wissen, was richtig ist und die sicher auf der richtigen Seite stehen, ins Wanken bringen wird. Ich vermute, dass das Emotionen wiederbeleben wird, deren Hitze wir mit unseren Sprachspielen gekühlt hatten und die uns zunächst unangenehm sein werden.

Aber das könnte ein Weg in die Wirksamkeit sein. Denn ob Menschen sexistisch, rassistisch und homophob eingestellt sind oder nicht, hängt nicht nur mit rationalen Argumenten an der Oberfläche des Denkens zusammen, sondern auch oder vielleicht vor allem mit Grundannahmen, die zutiefst in Gefühlen und Affekten verwurzelt sind. Eine Diskussion, eine Veranstaltung, ein Ereignis, das in der Lage sein will, diese Grundannahmen zu verschieben, sollte also auch auf diese Ebene abzielen. Damit meine ich nicht, dass inhaltlich komplexe durch emotional vereinfachende Kommunikation ersetzt werden sollte, sondern dass wir diese andere Ebene in der politischen Kommunikation mittdenken müssen, anstatt uns vor ihr zurückzuziehen oder sie zu denunzieren.

Ich habe hier jetzt einmal exemplarisch deutlich Position bezogen. Ich bin aber natürlich auch sehr daran interessiert, wie du das siehst. Was ist deiner Ansicht nach das, was wir tun sollten, um aus der Selbstgeisselung hinauszukommen? Wie können wir die Energie, die wir auf Selbstbestrafung verwenden für anderes produktiv machen? Und wie können wir Menschen erreichen, die weniger Zugang zu elitären Institutionen haben und die unsere Positionen nicht teilen?


Jörg Scheller:
Dieser Dialog nimmt epische Dimensionen an! Mein Begriff «Selbstgeisselung» war vielleicht etwas ungeschickt gewählt. «Kritik des Umfeldes, in welchem wir uns bewegen und das wir mitgestalten», hätte es auch getan. Um Deine Frage nach der Energieumleitung zu beantworten: Sie sollte nicht in Wehklagen – also die von Dir bereits erwähnten «Cry-ins» – münden, sondern in eine nüchterne Analyse, wie und unter welchen Umständen es dazu kommen konnte, dass die gemeinhin verkürzt als «linksliberal» eingestuften Haltungen offenbar für signifikante Teile der Bevölkerung(en) nicht mehr attraktiv sind, während die Lügen und Beleidigungen eines Donald Trump oder der reaktionäre Populismus der AfD eine beträchtliche Anziehungskraft entfalten können – oder wie es dazu kommen konnte, dass es schlicht keine Rolle spielt, dass es sich um Lügen und Beleidigungen handelt. Wie mein Kollege Paul Stephan kürzlich bemerkte, mag einer der Gründe darin liegen, dass Teile des linksliberalen Politmilieus simple ökonomische Aspekte – Verlust- und Abstiegsängste, wachsende Ungleichheit, etc. – ausgeblendet, zu stark auf Minderheitenbelange gesetzt und unfreiwillig dem Neoliberalismus das Wort geredet haben. So lässt sich etwa «Ungleichheit» aus neoliberaler Sicht problemlos mit «Vielfalt-Slash-Diversity» übersetzen. Hier wäre also ein Schulterschluss zwischen Liberalismus und klassisch linken, marxistischen Positionen vonnöten, ein neuer Sozialliberalismus, wenn man so will. Ob er sich in den herkömmlichen Parteien wird entfalten können, wage ich zu bezweifeln – ich setze derzeit eher auf zivilgesellschaftliche liberale Netzwerke, die eine ausserparlamentarische Opposition ausüben und die Parteien vor sich hertreiben. In den letzten Jahrzehnten wurde «Liberalismus» ja zum Synonym für «Neoliberalismus» und selbiger zur Zivilreligion, zur Ideologie. Damit muss Schluss sein. Dass jedoch das vermeintlich oder tatsächlich abgehängte Klein- und Gutbürgertum, beispielsweise in Ostdeutschland, wo Linken-Wähler nun zur AfD wechseln, auf das neoliberale Wirtschaftsprogramm letzterer setzen, ist ein Treppenwitz der Geschichte...

Und noch etwas möchte ich präzisieren: Wenn ich sage, dass man zunächst einmal alle Milieus ernst nehmen muss, so bedeutet das nicht, dass man jede Idiotie ernst nehmen kann. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Nimmt man Milieus nicht ernst, so tun sie es eben selbst. Sprich, es führt kein Weg darum herum, sich mit allen und allem konstruktiv auseinanderzusetzen – und dafür unterschiedliche Formen zu finden, also nicht nur in Dialogen wie diesem zu schwelgen.

Die Argumentation der AfD indes, man müsse unanständig werden, um den Anstand zu retten; oder die Strategie der CSU, selbst zur AfD zu werden, um die AfD zu verhindern, kann und möchte ich nicht gutheissen. Die Fraktionen des Das-wird-man-doch-wohl-noch-sagen-dürfens tuen so, als existierte keine Geschichte, aus der man lernen könnte und lernen müsste. Bestimmte Dinge darf man natürlich sagen und tun, doch sollte man sie weder sagen noch tun, weil sie sich in der Geschichte mehrfach als toxisch erwiesen haben. Parteien wie die AfD, Die Linke und die SVP – respektive je spezifische Parteiflügel – scheinen sich in diesem Zusammenhang allerdings auf die gemeinsame Losung eingeschworen zu haben: Wir wiederholen die Fehler der Vergangenheit, um die Probleme der Gegenwart zu lösen. Dabei gilt für sie: Meines Freundes Lüge ist Wahrheit, meines Feindes Lüge ist Lüge. So kritisiert etwa die Linke gerne Erdogan & Co., schweigt jedoch zu Menschenrechtsverletzungen in südamerikanischen linksautoritären Regimen.

Gerade vollzieht sich vielleicht weniger eine Ideologisierung, als vielmehr eine Tribalisierung des Denkens und des Handelns. Wir stehen nicht vor einem Clash der Kulturen, wie Samuel P. Huntington in den 90ern orakelte. Wir stehen vor einem Clash der Clans, deren basale Aufgabe nicht Kulturschutz, sondern Macht- und Ressourcensicherung ist.

In diesem Zusammenhang nimmt sich Dein Vorschlag einer «politischen Meditation» nur auf den ersten Blick esoterisch aus. Wo Mediation versagt, könnte Meditation tatsächlich Abhilfe schaffen – inwiefern es gelingen kann, die politisch Involvierten dazu zu bewegen, ist eine andere Frage. Angesichts der sich aktuell gegenseitig hochschaukelnden Rechthaber muss es aber auf alle Fälle darum gehen, die buchstäblichen und metaphorischen Filterblasen zum Platzen zu bringen und aus den Endlosschleifen auszubrechen, in welche der Diskurs zu münden droht. Wie man in den USA und Polen sieht, sind die Folgen einer solchen Verhärtung fatal: Demokraten und Republikaner, Regierung und Opposition reden nicht mehr mit-, sondern über- und durcheinander. Findet doch einmal ein Austausch statt, dient er in Wahrheit nur dem Öffentlichmachen der eigenen Position. Wenn ich aber diskutiere, dann möchte ich die Diskussion anders verlassen, als ich sie begonnen habe! Ich bemühe mich, das Denken jener, mit denen ich nicht einverstanden bin, an mich heranzulassen und mich, soweit es eben geht, vorurteilsfrei damit auseinanderzusetzen. Wenn man will, kann man das als Meditation bezeichnen: Es gilt, sich – temporär – selbst zu verlieren, möglichst «interesselos» in sich hineinzuhören, die auf- und vorbeiziehenden, teils konträr zur eigenen Haltung stehenden Gedanken nicht abzuwehren, sondern sie zuzulassen. In einem zweiten Schritt müssen sie jedoch einer kritischen Analyse unterzogen werden: keine Meditation ohne Reflexion, kein Osho ohne Kant!

Ansonsten halte ich es mit Bazon Brock, der einmal sinngemäss gesagt hat, man könne das Reaktionäre nicht bekämpfen, wenn man nicht zuerst den Reaktionären in sich selbst erkannt hat. Das Parteiprogramm der AfD habe ich gelesen und darin so einiges entdeckt, was ich grundsätzlich teile, etwa hinsichtlich der Bildungspolitik – doch vieles mehr, was ich nicht annehmen kann, etwa die pauschale Verurteilung der Genderforschung. Das ist schlicht Demagogie. Ich tausche mich mit AfD-Anhängern und -Mitgliedern schon seit über einem Jahr via E-Mail und Telefon aus. Gerade sind wir, Du und ich, dabei, eine reaktionärprogressive Podiumsdiskussion in der Zürcher Gessnerallee auf die Beine zu stellen. Meine Freizeit wiederum verbringe ich am liebsten im Bodybuilding-Milieu und meine publizistische Tätigkeit zielt auf breite Leserkreise ab. Auf diesem Blog wirst Du auch einen Austausch mit einem christlichen Anwalt über Heavy Metal finden (LINK). In dieser Hinsicht sehe ich für mich keinen dringlichen Handlungsbedarf, vielleicht könnte man das eine oder andere noch ausbauen.

Dass die von Dir erwähnten Gärtnerinnen und Wachmänner keine – alleine schon aus ästhetischer Sicht oft hochgradig spezifischen und teils hermetischen – Kunstaufführungen besuchen, ist aus meiner Sicht kein wirkliches Problem. Nicht alles ist für alle passend. Wenn man Formate und Diskurse weiterentwickeln will, ist man auf den ersten Metern immer alleine. Doch früher oder später wuchern noch die eigentümlichsten Avantgarde-Gewächse in die populäre Kultur, schau Dir nur Jay-Zs Kollaboration mit Marina Abramovic für «Picasso Baby» an. Die Frage ist nur: früher oder später? Haben wir genug Zeit? Oder besteht eine «neue Dringlichkeit», angesichts derer wir uns keine Verzögerungen erlauben können, da die Populisten erfahrungsgemäss schneller ziehen und gröbere Geschütze auffahren? Mit dieser Frage verabschiede ich mich aus dem Dialog, freue mich auf Deine Antwort und hoffe, dass wir unseren Austausch bald schon in Form konkreter Veranstaltungen im «Meatspace» fortsetzen werden!


Christopher Kriese:
Ich glaube: früher. Ich glaube, wir haben keine Zeit mehr. Ich glaube es ist Gefahr im Verzug. Oder anders gesagt: Es droht Gefahr bei Verzögerung. Einiges deutet darauf hin, dass katastrophale Entwicklungen bevorstehen, wenn wir nicht handeln. Die Ereignisse der letzten Monate liessen sich sogar durchaus als ein Beginn der Katastrophe deuten. Wie wir handeln sollten und wer dieses «wir» genau ist, das muss noch ausgehandelt werden. Aber es könnte von entscheidender Bedeutung sein, dass diese Aushandlungsprozesse schneller zu Ergebnissen führen, als der Prozess, der dazu geführt hat, dass es jetzt selbstverständlich wirkt, wenn Marina Abramovic im MoMa vergnügt und hypnotisch mit Jay-Z tanzt.

Ausgangspunkt dieses Dialogs war ja eine Mail, in der ich am Tag des Wahlsiegs von Donald Trumps meine Besorgnis darüber geteilt habe, dass die neuen Formen der Massenkommunikation ­– die sich noch vor zehn Jahren kaum jemand erträumen konnte, die aber heute in jeden Bereich des privaten und öffentlichen Lebens vorgedrungen sind – politische Effekte zeitigen könnten, die weder vorhersagbar noch kontrollierbar sind. Ich weiss nicht, ob es wirklich so ist und vielleicht lässt sich das auch nicht mit Sicherheit sagen, aber es steht zu befürchten, dass die (zuvor kaum erklärlichen) politischen Grossereignisse der letzten Monate auch durch Welleneffekte in sozialen Netzwerken und durch ein bisher nicht gekanntes Zusammenwirken von menschlichen und nicht-menschlichen Intelligenzen verursacht wurden. Es kann sein, dass die bis ins allerpersönlichste reichende Tiefe und die alles umspannende Breite, die die Verschaltung zwischen uns Menschen und den Maschinen inzwischen annimmt, zur Entstehung eines neuartigen neuronalen Netzwerks geführt hat, das auf eine Weise auf die Gesellschaft einwirkt, die zwar niemand genau absehen kann, die aber bestimmte politische Kräfte zu bevorzugen scheint. Möglicherweise begünstigen die hierarchischen und neoliberalen Strukturen, die in die Architektur der Datennetzwerke eingeschrieben sind, hierarchische und neoliberale Strukturen in der Politik. Möglicherweise begünstigen die (oft erfolgreich) nach Monopolen und Vereinheitlichung strebenden IT-Firmen auf ihren Plattformen eine politische Kommunikation, die nach Alleinherrschaft und Gleichschaltung strebt. Möglicherweise unterstützt die affektive und polarisierte digitale Kommunikation das Entstehen von wütenden Mobs und das Hervortreten von besonders wütenden Anführern dieser Mobs.

Mir ist bewusst, dass das alles recht spekulativ klingt, vielleicht sogar esoterisch. Dieser Einwand ist schwer zu entkräften. Vielleicht ist es auch gut, ihn mit sich zu tragen. Aber falls es wirklich so ist, dass es einen Rückkopplungs-Effekt zwischen den neuen Formen, in denen die Kommunikation organisiert wird, und einer Rückkehr des Autoritären, Nationalen und Chauvinistischen gibt, besteht ein dringender und ein radikaler Handlungsbedarf.

Mein Interesse für die stets neuen Formen der Kommunikation hat auch zu einer – zwischen Skepsis und Euphorie schwankenden – Auseinandersetzung mit Snapchat geführt. Neben dem Verschicken von sich selbst zerstörenden kurzen und lustig verzierten Videobotschaften und dem Erstellen von täglich verschwindenden Storys über den eigenen Alltag, ermöglicht die App es, anhand von «Live Stories» auf eine ungewöhnliche Weise an global relevanten Ereignissen teilzunehmen: Snapchat kuratiert hin und wieder Snaps von Benutzern, die Augenzeugen eines sich entfaltenden Geschehnisses sind und ermöglicht so einen Blick, der rasant durch verschiedenste subjektive Perspektiven wechselt.

Als die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff letztes Jahr ihres Amtes enthoben wurde, konnte man Snaps von Parlaments-Abgeordneten sehen, die direkt dabei waren, als es geschah, so wie Bilder einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft: Die einen feierten das Impeachment als einen Sieg der Freiheit gegen das korrupte «Establishment» in Brasilia, die anderen sahen darin einen Putsch und eine Wiederkehr des Faschismus. Aber beide Lager waren gegen etwas. Die einen waren gegen «Dilma», die anderen waren gegen den «Putsch». Eine Seite hat sich durchgesetzt: Die Arbeiterpartei (PT), die zwar in erhebliche Korruptionsskandale verwickelt war, aber zugleich Millionen Brasilianier*innen aus der Armut geholfen und die kaum fassbare Ungleichheit der Klassen zumindest ein wenig verringert hat, ist nun nicht mehr an Macht, stattdessen führt (der unsympathisch lächelnde, etwa 70-jährige) Michel Temer eine Regierung, die schon jetzt das schärfste Austeritäts-Programm in der brasilianischen Geschichte beschlossen hat.

Vorgestern habe ich wieder eine «Live Story» gesehen. Diesmal waren es die Proteste gegen Donald Tumps «Muslim Ban» auf zahlreichen Flughäfen in den USA. Die Bilder von Massen, die in Empfangshallen Banner hochhalten und in spontan organisierten Sprechchören schreien, hat in mir zunächst nostalgische Erinnerungen an die Occupy-Bewegungen im Jahr 2011 geweckt und mich emotional mitgerissen. Dann aber hat sich eine seltsame Ernüchterung eingestellt. Sie riefen unter anderem: «No wall! No ban! No orange Cheeto Man!» und «This is what democracy looks like!» Natürlich ist es sinnvoll aufzubegehren, wenn solch ein Unrecht geschieht. Aber sieht so wirklich Demokratie aus? Ist das unsere Antwort? Dass wir dann erzürnt, erbost und entschlossen aufstehen, wenn es schon zu spät ist und so lange schreien, bis der Status Quo wiederhergestellt ist? Es wird mehr nötig sein als das, fürchte ich. Die Demokratie ist durch Figuren wie Trump und durch die Dynamiken, die ihn haben soweit kommen lassen, so fundamental bedroht, das ein Aufbegehren dagegen und ein Aufgebgehren danach nicht mehr ausreicht. Wir müssen uns schleunigst darüber verständigen, wofür wir kämpfen wollen, damit wir damit anfangen können, bevor es zu spät ist.


[1] Digital und Analog hier im Sinne Paul Watzlawicks, https://de.wikipedia.org/wiki/Metakommunikatives_Axiom