
Der Performance-Effekt
/ Eine Gesprächsreihe in Dialogen: Politische Kunst - zu einfach, zu komplex
POLITISCHE KUNST - ZU EINFACH, ZU KOMPLEX
Im Dialog: Florian Malzacher, Ktl. Leiter Impulse Theater Festival, freier Kurator und Autor (Berlin) & Doreen Mende, Kuratorin, Professur für kuratorische Fragen in Geopolitik, HEAD (Genf/Berlin) Biografien weiter unten
Moderation. Anke Hoffmann, Kuratorin für Vermittlung
Vor dem Hintergrund von Flüchtlingselend, salonfähigem Rassismus und Neo-Nationalismus in Europa, der Eurokrise und der Finanzkrise steht auch die Kunst nicht zurück: sie bezieht Haltung, sie klagt an, sie tut weh. Das ästhetische, ambivalente Feld der Kunst stellt sich in den Dienst von klaren Positionen, die in die unmittelbare Realität hineinragen. Nicht wenige Theaterbetriebe - va. in Deutschland - haben Flüchtlinge direkt auf die Bühne gestellt – und damit auch Kritik aus den eigenen Kreisen geerntet. Es hiess, man benutze diese Menschen für eigene Zwecke. Oder die jüngste Aktion des Zentrum für politische Schönheit in Zürich und ihre nachträgliche Aufregung und Kritik an ihren Methoden.
Politische Kunst kann eben auch in Fallen tappen, entweder ist sie zu didaktisch und bevormundend, verzichtet auf Mehrdeutigkeiten und beschreibt Realität schlicht zu einfach, illustriert verharmlosend, verschreibt sich zu sehr einer Effizienzlogik, stillt den Hunger nach Subversion für den affirmativen (Kunst-)Markt oder lässt sich unkritisch als plakativen Aufreger benutzen. Was also ist politische Kunst jenseits von «alles ist politisch»? Wie geht politische Kunst, zwischen den Polen von Simplifizierung, Komplexität, Bevormundung, Nützlichkeitsdebatte und Mainstreamliebe? Und welche Strategien zwischen Anspruch und Wirklichkeit gibt es in Theater, Performance und «Kunst»?
Die Gesprächsreihe: Der Performance-Effekt
Die aktuelle visuelle Kunst verwebt sich seit den 1990er Jahren immer enger mit den Genres von Choreographie und Theater. Von diesen Annäherungen zeugen Tanzchoreographien und Sprechperformances auf Biennalen, Tanzretrospektiven in Museen, Performancedokumentationen auf dem Kunstmarkt, Live-Art-Events und choreographierte Ausstellungen. Auf der anderen Seite verstehen sich Theaterhäuser immer öfter als wandelbare und disziplinoffene Plattformen für ein breites Feld von Aufführungsformaten, wie begehbaren Installationen, Ausstellungen, kuratierte Festivals bis hin zum Museums-Kurator, der als Theaterintendant eingeführt wird.
Bei allen diesen Grenzauflösungen und -überlagerungen fällt die relative Abwesenheit eines begleitenden Diskurses auf, der die jeweils eigenen Genre-Referenzen, -Begriffe und -Kritik in Beziehung zueinander setzt. Inszenierungsrahmen von «black box» und «white cube» sprechen eine Sprache, die die Produktion von Performances mitschreiben; aber wie werden sie thematisiert, hinterfragt oder dekonstruiert? Genrebildende Aspekte von Zeitlichkeit, Theatralität und Mimesis vermengen sich mit der Authentizität «des Künstlers» und der Autonomie des Publikums. Beschreibt das historische Selbstverständnis der visuellen Kunst noch ihr heutiges Verhältnis zu den Performing Arts? Was begründet die andere Lesbarkeit und Wahrnehmung von «Kunst» und «Theater? Und, scheint die explizite Arbeit mit dem Körper als Material repräsentativ prekär gegenüber dem Konzept von Theorie und Sprache?
In der Gesprächsreihe «Der Performanceeffekt» werden Akteur_innen aus den Feldern Kunst, Tanz, Theater und Performance eingeladen, um in Dialogen über spezifische Erfahrungen und Begehrlichkeiten von Produktion, Kontext, Rezeption, Repräsentation und Vermittlung zu sprechen.
Biografien
Florian Malzacher
studierte Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen. Er ist Künstlerischer Leiter des Impulse Theater Festivals sowie freier Dramaturg und Autor. Von 2006 bis 2012 war er Leitender Dramaturg des Festivals steirischer herbst in Graz. Er war u.a. (Ko)Kurator der Internationalen Sommerakademie am Künstlerhaus Mousonturm (2002 & 2004), der Reihe "Performing Lectures“ in Frankfurt, von "Truth is Concrete in Graz (2012) sowie der performativen Konferenz “Aneignungen” im Ethnologischen Museum Berlin/Humboldt Lab (2015) und von “Artist Organisations International” am HAU Berlin in 2015. Er ist Mitherausgeber bzw. Herausgeber folgender Publikationen: “Not even A Game Anymore. The Theatre of Forced Entertainment” (Alexander Verlag Berlin, 2004), “Experts of the Everyday. The Theatre of Rimini Protokoll” (Alexander Verlag, 2008) or “Curating Performing Arts” (Frakcija 2010). His latest publications are „Truth is concrete. A Handbook for Artisitc Strategies in Real Politics“ (Sternberg Press, 2014), „Two Minutes of Standstill. A Collective Performance by Yael Bartana“ (Sternberg Press, 2014), and „Not Just a Mirror. Searching for the Political Theatre of Today“ (Alexander Verlag Berlin/Live Arts Development Agency London, 2015).
festivalimpulse.de
florianmalzacher.tumblr.com
Doreen Mende
is a curator and theorist. Recent research projects include KP Brehmer Real Capital – Production (2014, Raven Row, London); Travelling Communiqué (2014/13, Museum of Yugoslav History in Belgrade, Haus der Kulturen der Welt in Berlin), Double Bound Economies (2013/12, Halle 14 in Leipzig, centre de la photographie in Geneva, ETH in Zurich, Thomas Fischer Galerie in Berlin), KP Brehmer: A Test Extending Beyond the Action (2011, CAAC, Sevilla), Candida Höfer: Projects Done (2009/10, CAAC in Sevilla, MARCO in Vigo), Not Right But Wrong (2007, JET, Berlin), Ear Appeal (2006, Kunsthalle Exnergasse, Vienna). Project-based collaborations in Ramallah, Beirut, Addis Ababa and Tehran. Mende is co-editor of e-flux journal 59 Harun Farocki (2014), resident of the blog for Manifesta Journal (2013/14) and editor-in-chief of the publication series Displayer at University of Arts and Design/ ZKM Karlsruhe (2006–09). PhD in Curatorial/Knowledge, Goldsmiths, University of London. Associate faculty member of the Dutch Art Institute. Since September 2015, responsible professor for the research-based programme on the practice and theory of curatorial questions in geopolitics at HEAD Genève. Mende lives in Berlin and Geneva.