Gessnerallee
Zürich

Der Performance-Effekt

/ Körperausstellungen

Boris Nikitin & Johannes Paul Raether

Im Dialog: Boris Nikitin, Theaterregisseur, Autor, Ktl. Leiter der Basler Dokumentartage (Basel) & Johannes Paul Raether, Performance-/Künstler (Berlin)

Körperausstellungen

Wir alle kommen mit einem Körper auf die Welt, der Rest ist Performativität und Technologie. Wie artikulieren sich Kunst- und Theaterschaffende im aktuellen Spannungsfeld zwischen individuellem Körper und bio-digitalen Kapitalismus? Wie mit den Fragen von «normal-und-gesund», Inklusion, Körper 2.0, Reproduktionsdiagnostik und nicht zuletzt dem performativen Akt der identitären Subjektivierung? «Identitecture» ist eine vom Künstler Johannes Paul Raether kreierte Welt aus hoch-komplexen und übertrieben-bunten Avataren, welche Abhängigkeiten des und Zugriffe auf den Körper(s) gleichermassen verhandeln. Der Regisseur Boris Nikitin beschäftigt sich in seinem neuen Text «Der unzuverlässige Zeuge 2 - Coming out» mit dem Coming-Out als Form der Zeugenschaft an der Schnittstelle von Fiktion und Wirklichkeit. Im Gespräch diskutieren Raether und Nikitin über ihre eigenen Erfahrungen zwischen Körper und Öffentlichkeit, über Realitäten, Fakes, übers Sterben, über Dilettantismus und Liebe.
 

Boris Nikitin ist Theaterregisseur - und autor, Bühnenbildner und künstlerischer Leiter des Festivals „It’s the real thing - Basler Dokumentartage“. Nikitin hat Angewandte Theaterwissenschaft in Giessen studiert. Nikitin erarbeitet Projekte in der freien Szene ebenso wie im Stadttheater. Seine Projekte sind international auf Tour, teilweise schon seit mehreren Jahren, wie z.B. „Imitation of Life“ oder „Woyzeck“. Nikitins Arbeiten spielen mit den Grenzen zwischen Performance und Theater, Illusion und Dokumentarischem, offensivem Dilettantismus und schauspielerischer Virtuosität. Oftmals spielt die Rahmung der Projekte eine herausragende Rolle. Seine Projekte haben teilweise den Charakter von inszenierten Ready-Mades. Nicht selten ist die Rahmung verschwommen und verschoben. So inszenierte er eine Messe in der Kirche der Mormonen in Freiburg („how to win friends & influence people“, theater Freiburg, 2013) oder setzte das Intendantenvorsprechen der Otto-Falkenberg-Schauspielschule München ins Programm der Münchner Kammerspiele („Das Vorsprechen“, Münchner Kammerspiele 15/16). Derzeit arbeitet er an einer queeren Version von „Hamlet“ (Koproduktion Gessnerallee Dezember 2016)

Johannes Paul Raether lebt und arbeitet in Berlin. Von 2006 bis 2011 war er Mitorganisator des artist run space "Basso" und beteiligte sich an dessen kollektiven Performances. Seine Arbeiten und Performances wurden, u.a. im KUMU Art Museum, Tallinn (2010), Tensta Konsthall, Stockholm (2010), Kunsthaus Bregenz (2012), Hebel Am Ufer, Berlin (2012) KW Institute for Contemporary Art, Berlin (2013), Savvy Contemporary, Berlin (2014) Donau Festival Krems (2014) Foreign Affairs Festival der Berliner Festspiele (2015) und im Friedericianum, Kassel (2015) präsentiert. Einzelausstellungen u.a in der Galerie September, Berlin (2011), im Künstlerhaus Stuttgart (2012), Ludlow 38, New York City (2014) und in Transmission Gallery, Glasgow (2015) Raether veröffentlicht bei Texte zur Kunst und hatte 2013 eine Gastprofessur an der HfbK inne. Er erhielt u.a. den Villa Romana Kunstpreis (2015) und ist zur Zeit Artist in Residence an der Leuphana Universität. Zusammen mit dem Duo Discoteca Flaming Star organisierte er unterschiedliche Performanceprojekte und gab das Buch „Zeig Her, Führ Vor, Tausch Ein. Performance—Art—Academy“ (2013) heraus.

Der Performance-Effekt

Die aktuelle visuelle Kunst verwebt sich seit den 1990er Jahren immer enger mit den Genres von Choreographie und Theater. Von diesen Annäherungen zeugen Tanzchoreographien und Sprechperformances auf Biennalen, Tanzretrospektiven in Museen, Performancedokumentationen auf dem Kunstmarkt, Live-Art-Events und choreographierte Ausstellungen. Auf der anderen Seite verstehen sich Theaterhäuser immer öfter als wandelbare und disziplinoffene Plattformen für ein breites Feld von Aufführungsformaten, wie begehbaren Installationen, Ausstellungen, kuratierte Festivals bis hin zum Museums-Kurator, der als Theaterintendant eingeführt wird.
Bei allen diesen Grenzauflösungen und -überlagerungen fällt die relative Abwesenheit eines begleitenden Diskurses auf, der die jeweils eigenen Genre-Referenzen, -Begriffe und -Kritik in Beziehung zueinander setzt. Inszenierungsrahmen von «black box» und «white cube» sprechen eine Sprache, die die Produktion von Performances mitschreiben; aber wie werden sie thematisiert, hinterfragt oder dekonstruiert? Genrebildende Aspekte von Zeitlichkeit, Theatralität und Mimesis vermengen sich mit der Authentizität «des Künstlers» und der Autonomie des Publikums. Beschreibt das historische Selbstverständnis der visuellen Kunst noch ihr heutiges Verhältnis zu den Performing Arts? Was begründet die andere Lesbarkeit und Wahrnehmung von «Kunst» und «Theater? Und, scheint die explizite Arbeit mit dem Körper als Material repräsentativ prekär gegenüber dem Konzept von Theorie und Sprache?
In der Gesprächsreihe «Der Performanceeffekt» werden Akteur_innen aus den Feldern Kunst, Tanz, Theater und Performance eingeladen, um in Dialogen über spezifische Erfahrungen und Begehrlichkeiten von Produktion, Kontext, Rezeption, Repräsentation und Vermittlung zu sprechen.

 

Mai
10 Di Nordflügel
19.00